Rund um die Welt existieren Staatsfonds, die teils bemerkenswerte Ergebnisse erzielen. Auch in Deutschland kommt das Thema regelmäßig auf die politische Agenda. Doch die vor der Bundestagswahl auf dem Tisch liegenden Konzepte irritieren, und eines treibt gar die ordnungspolitischen Sündenfälle auf die Spitze, schreiben Gunther Schnabl und Sven Ebert.
1. Staatsfonds haben im Wahlkampf Hochkonjunktur

Im Wahlkampf haben Ideen für Staatsfonds in Deutschland Hochkonjunktur. Vorreiter war das geplante „Generationenkapital“ des ehemaligen Finanzministers Christian Lindner: Bis zum Jahr 2036 sollte der Bund mit Hilfe von Krediten 200 Mrd. Euro ansparen, um mit Aktienanlagen die angeschlagene gesetzliche Rentenversicherung zu stabilisieren.
Die SPD will nun bei gewonnener Wahl mit einem „Deutschlandfonds“ 100 Mrd. Euro in Strom-, Wärme- und Wasserstoffnetze, E-Ladesäulen sowie den Wohnungsbau investieren. Die öffentlichen Investitionen sollen darüber hinaus Mittel von privaten Versicherern und Pensionskassen mobilisieren.
Der „Bürger*innnefonds“ der Grünen will aus Darlehen und Eigenmitteln des Bundes Startups finanzieren und die grüne Transformation beschleunigen. Die Erträge des Fonds sollen kleine und mittlere Renten erhöhen, „was insbesondere Frauen und Menschen in Ostdeutschland unterstützt“. Die Möglichkeiten der Staatsfonds scheinen unbegrenzt. Doch macht das alles so Sinn?
2. Staatsfonds gibt es schon lange
Staatsfonds gibt es bereits viele. Rohstoffexportierende Länder wie Norwegen, Russland und die Vereinigten Arabischen Emirate haben Teile ihrer Exporterlöse dort gespart, um zukünftige Staatsausgaben zu finanzieren.

China und Singapur haben durch die Stabilisierung ihrer Wechselkurse hohe Währungsreserven angehäuft. Teile davon haben sie in Staatsfonds wie der China Investment Corporation oder Temasek ausgelagert, um in anderen Vermögensklassen als den bei den Zentralbanken üblichen – und durch Inflation gefährdeten(!) – US-amerikanischen oder europäischen Staatsanleihen zu investieren.
Nachdem die Zentralbanken der Leitwährungsländer USA und Euroraum seit der Jahrtausendwende die Geldschleusen geöffnet haben, sind an der Peripherie des Weltwährungssystems die Währungsreserven stark angestiegen und die Rohstoffpreise explodiert. Damit bei den sonst schnell steigenden Kapitalzuflüssen die inländische Konjunktur nicht überhitzt, müssen die Staatsfonds die Reserven im Ausland investieren.
3. Der norwegische Staatsfonds als Musterbeispiel
Der heute größte Staatsfonds entstand aus einem Ölfund vor der Küste Norwegens im Jahr 1969. Seit 1996 werden die Exporterlöse Norwegens aus dem Ölgeschäft im „Government Pension Fund Global“ verwaltet. Das Fondsvermögen beträgt heute rund 1.700 Milliarden Euro, was gut 300.000 Euro pro Einwohner entspricht.
Der Fonds investiert nur außerhalb Norwegens mit langfristigem Horizont. Er maximiert die Rendite innerhalb der Vorgaben von Finanzministerium und Parlament. Die Mittel sind überwiegend in Aktien (ca. 70%) und Anleihen (ca. 27%) angelegt. Die durchschnittliche Rendite pro Jahr liegt seit 1998 bei 6,3%, die Verwaltungskosten nur bei 0,08%. Circa die Hälfte der Rendite – die erwartete Rendite abzüglich einem Inflationsausgleich – fließt jährlich dem Staatshaushalt zu. Der Kapitalstock bleibt so real erhalten.
„Statt für die Zukunft sparen, wollen die deutschen Staatsfondskonzepte Versäumtes nachholen.“
Ethische Kriterien spielen keine dominierende Rolle. Doch Unternehmen, die Massenvernichtungswaffen herstellen, gegen Menschenrechte verstoßen oder Tabak verarbeiten, sind tabu. Beteiligungen an Bergbaugesellschaften und Stromkonzernen werden verkauft, wenn deren Kohleanteil am Umsatz höher als 30% ist. Mit dem Ukrainekrieg zog sich der Government Pension Fund Global aus den russischen Unternehmen Gazprom, Lukoil und Sberbank zurück.
4. Die deutschen Pläne im Vergleich
Deutschland verfügt hingegen weder über Rohstofferlöse noch – weil der Wechselkurs frei schwankt – über weitreichende Währungsreserven. Die staatlichen Ausgabenverpflichtungen sind hoch, so dass es keine Rücklagen, sondern nur jede Menge Staatsschulden gibt. Um einen Fonds zu schaffen, müssen daher die Steuern oder die Schulden steigen. Oder man greift auf die bereits bestehenden privaten Rentenersparnisse zurück! Das gilt auch für den von Donald Trump anvisierten Staatsfonds für die USA.
Statt für die Zukunft sparen, wollen die deutschen Staatsfondskonzepte Versäumtes nachholen. Die SPD will die vernachlässigte Infrastruktur sanieren. Die Grünen wollen die deutsche Wirtschaft grün transformieren und die Defizite bei der gesetzlichen Alterssicherung ausgleichen. Donald Trump will möglicherweise Autobahnen, Flughäfen, den Kauf von TikTok oder sogar eine nationale Kryptoreserve finanzieren.
Es scheint, als wollten in Deutschland die überwiegend kreditfinanzierten Fonds in Zeiten leerer Kassen die Schuldenbremse umgehen. „Finanzielle Transaktion“ heißt das Zauberwort, mit dem der Bund das Fondskapital durch neue Schulden erschaffen kann, ohne die Schuldenbremse zu verletzen. Zumindest will inzwischen die FDP Teile der laufenden Beiträge der gesetzlichen Rentenversicherung in einen unabhängig verwalteten Aktienfonds mit persönlichen Beitragskonten investieren.
5. Der grüne Bürger*innenfonds als ordnungspolitischer Sündenfall
Der grüne Bürger*innenfonds treibt die ordnungspolitischen Sündenfälle auf die Spitze. Er will zusätzliche Staatsausgaben nicht über Steuern, sondern vorbei an der Schuldenbremse mit neuen Krediten finanzieren. Das erhöht den Druck auf die Europäische Zentralbank, mehr Staatsanleihen zu kaufen. Die daraus resultierende Inflation hat negative Wachstumseffekte, weil Inflation aufgrund wachsender Unsicherheit die privaten Investitionen bremst.
„Startups haben meist sehr volatile Erträge, während für Renten stabile Zahlungsströme notwendig sind.“
Der Erfolg grüner Startups und die Wachstumseffekte der grünen Transformation sind mehr als ungewiss. Nach Friedrich August von Hayek verfügt der Staat nicht über ausreichend Informationen, um die Zukunft erfolgreich planen zu können. Ähnlich wie bei einem Hedgefonds soll mit Schulden auf hohe Renditen gewettet werden. Dazu haben Startups meist sehr volatile Erträge, während für Rentenzahlungen stabile Zahlungsströme notwendig sind.
Schließlich wird die geplante Fokussierung der Investitionen auf Deutschland und Europa die Rendite schmälern, weil die künftigen Wachstumspotenziale wohl anderswo liegen. Zwar liebäugelt Donald Trump in den USA mit einem Staatsfonds, dessen Finanzierung unklar ist, aber zumindest beflügelt er mit seinen Deregulierungsvorhaben und Plänen zur Kürzung der Staatsausgaben auch Wachstumsfantasien. In Deutschland hingegen wollen viele mit wachstumsfeindlichen, schuldenfinanzierten Staatsfonds als „Kapitalsammelstelle“ für ausgabenfreudige Politiker in die falsche Richtung fahren.
Die Autoren:
Sven Ebert ist promovierter Mathematiker und Senior Research Analyst am Flossbach von Storch Research Institute.
Prof. Gunther Schnabl ist Wirtschaftswissenschaftler und Direktor des Flossbach von Storch Research Institute.