In einer Pensionszusage soll sich ein Unternehmen zu unklar ausgedrückt haben, Finanzverwaltung und Finanzgericht reagierten drakonisch. Von einem Einzelfall dürfte angesichts der Üblichkeit der verwendeten Klauseln kaum auszugehen sein. Claudia Veh bewertet das Urteil – und fragt sich, wohin einen derartige Rechtsprechung noch führen soll. Jedenfalls erstmal nach München.

Pensionszusagen an Gesellschafter-Geschäftsführer (GGF) befinden seit jeher im strengen Blick der Finanzverwaltung. So auch jüngst in einem Fall, der vor dem FG Düsseldorf verhandelt wurde (Urteil vom 9. Juni 2021–7 K 3034/15 K,G,F):
Auf den ersten Blick erscheinen die im Urteilstext vorzufindenden Angaben zu den Pensionszusagen unkritisch – doch – wie so oft – steckt die Tücke im Detail, und die Finanzverwaltung achtet auf jeden Aspekt, mit dem sie die steuerliche Versagung der Pensionszusage rechtfertigen könnte. In diesem Fall erscheint die Sicht der Finanzverwaltung und das Urteil der Richter besonders streng.
Der Fall
Zwei GGF wurden – nach einem im Jahr 1984 gefassten Gesellschafterbeschluss zur Erteilung von Pensionszusagen – im Jahr 1985 Pensionszusagen erteilt. In einer Neufassung 1992 wurde ergänzend zur Altersrente, die bei Ausscheiden mit Erreichen der Altersgrenze zur Auszahlung gelangen sollte, der vorgezogene bzw. aufgeschobene Altersrentenbezug mit üblichen Ab- bzw. Zuschlägen (0,4% pro Monat) mit eingeschlossen.
1994 wurden die Zusagen neu gefasst: Der vorgezogene Rentenbezug sollte jetzt „entsprechend den Regelungen der gesetzlichen Rentenversicherung frühestens nach Vollendung des 60. Lebensjahres möglich“ sein. In dieser Fassung wurde offensichtlich ein Teilsatz vergessen, nämlich der, der die Kürzungsvorschrift bei vorgezogenem Rentenbeginn regelt.
Sämtliche Zusagen/Nachträge wurden, soweit nicht bereits in der Vergangenheit geschehen, vorsorglich mit Gesellschafterbeschluss aus dem Jahr 1996 bestätigt.
2010 übertrugen die GGF ihre Anteile auf ihre Söhne und schieden aus dem Unternehmen aus. Unmittelbar danach schlossen sie als Gesellschafter der Firma Gebr. … GmbH & Co. KG mit dem Unternehmen einen Beratervertrag ab.
„Die Firma dürfte zumindest mit Blick auf die Pensionszusagen mit einem guten Gefühl in die Betriebsprüfung für die Jahre 2009 bis 2012 gegangen sein, nicht ahnend…“
Ab Vollendung des 60. Lebensjahrs 2011 bzw. 2013 bezogen beide ihre vorgezogene Altersrente aus der Pensionszusage, mit Abschlägen von 0,4% pro Monat der vorgezogenen Inanspruchnahme (so in der Fassung von 1992 geregelt, in der Fassung von 1994 vergessen, s.o.).
Die Firma dürfte zumindest mit Blick auf die Pensionszusagen mit einem guten Gefühl in die Betriebsprüfung für die Jahre 2009 bis 2012 gegangen sein, nicht ahnend, welche Mängel – aus Sicht der Finanzverwaltung – in den Zusagen schlummern.
Zunächst: „nur“ vGA
Gemäß Lesart des vom FA hinzugezogenen Fachprüfers ist der vorgezogene Bezug der Altersrente nicht vom Wortlaut der Pensionszusage gedeckt. Strittig war folgende Formulierung:
„Sie haben auch die Möglichkeit, zu einem früheren oder einem späteren Zeitpunkt als der Vollendung des 65. Lebensjahres bei Ausscheiden aus der Firma eine Altersrente gemäß Punkt A-1. zu beziehen.“
Der Fachprüfer war der Meinung, dass nur bei Ausscheiden zum Zeitpunkt des vorgezogenen Altersrentenbeginns die vorgezogene Altersrente bezogen werden kann. Wenn zuvor ein Ausscheiden mit unverfallbaren Anwartschaften erfolgt ist, sei ein vorzeitiger Bezug jedoch nicht vom Wortlaut der Zusage gedeckt. Auch die in Bezug genommene gRV sehe in einem derartigen Fall keinen vorzeitigen Bezug ab Alter 60 vor.
Die Rentenzahlungen erfolgten also zusagewidrig, was deren gesellschaftsrechtliche Veranlassung evident mache. Folglich seien die Zuführungen zu den Pensionsrückstellungen in den Prüfungsjahren eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) wie auch die ausgezahlten Renten. Zudem sei in der Pensionszusage in der zuletzt gültigen Fassung nicht geregelt, was für den Fall des vorgezogenen Bezugs gelten soll.
Dann: Komplette Auflösung der Pensionsrückstellung und vGA
Die Firma war hiermit nicht einverstanden. Auf die eingereichten Stellungnahmen reagierte die Prüferin mit einem neuen, keineswegs gütlichen, Vorschlag: Im Gesellschafterbeschluss aus dem Jahr 1984 sind ihres Erachtens die Pensionszusagen nicht ausreichend konkretisiert worden. Aus diesem Grund seien die Pensionsrückstellungen im Jahr 2009 (in den Folgejahren die jeweiligen Zuführungen) gewinnerhöhend aufzulösen (vgl. R 8.7 Satz 2 KStR); die ausgezahlten Renten wurden als vGA behandelt – der absolute Worst Case.
Nebenbei bemängelte die Prüferin die nicht beachtete Probezeit bei der Erteilung der Pensionszusagen.
Der hiergegen gerichtete Einspruch der Firma blieb erfolglos. Sie klagte vor dem FG.
Entscheidung des FG: gravierend
Das FG gab der Prüferin zwar nicht in allen Punkten Recht, doch im Ergebnis blieb es bei gravierenden Folgen für das Unternehmen.
So sah das Gericht zwar die zivilrechtliche Wirksamkeit als gegeben an: Beide GGF waren vom Selbstkontrahierungsverbot des § 181 BGB befreit, und durch die Unterzeichnung der Zusagen waren diese entsprechend zivilrechtlich wirksam erteilt worden. Und der Abschlag von 0,4% pro Monat bei vorgezogenem Rentenbeginn konnte für das Gericht durch Auslegung ermittelt werden.
Nicht eindeutig: Vorgezogener Rentenbeginn und Bezug zur gesetzlichen Rente
Strittig war jedoch für das Gericht, wann das Ausscheiden erfolgen muss, um einen vorgezogenen Rentenbeginn auszulösen (zeitgleich mit Abruf der vorgezogenen Altersrente oder auch bereits vorher?) Der Wortlaut lässt – so das Gericht – beide Sichtweisen zu – damit ist die Formulierung nicht eindeutig, und es ergibt sich ein Verstoß gegen § 6a Abs. 1 Nr. 3 EStG.
Gleiches gilt für den Bezug auf die gRV. Sollte nur bei einem tatsächlich möglichen vorgezogenen Bezug der gesetzlichen Altersrente die vorgezogene Altersrente aus der Pensionszusage möglich sein? Oder sollte nur die Üblichkeit der Regelung über einen vorzeitigen Rentenbezug zum 60. Lebensjahr zum Ausdruck gebracht werden? Auch dieser Punkt verstoße folglich gegen das Eindeutigkeitserfordernis des § 6a EStG.
Die für die Alters- und Witwenrente gebildeten Pensionsrückstellungen seien als Folge gewinnerhöhend aufzulösen.
Mindestpensionsalter 60 Indiz für vGA – Verstoß gegen Probezeiterfordernis
Dass die ausgezahlten Renten eine vGA darstellen, ergebe sich – so das FG – schon daraus, dass ein Mindestpensionsalter von 60 Jahren bereits eine gesellschaftsrechtliche Veranlassung der Zusage indiziere.
„Das Gericht ging sogar noch einen Schritt weiter als der Prüfer.“
Und dass die Zusagen bereits im ersten Dienstjahr und damit unter Missachtung einer angemessenen Probezeit erteilt wurden, bestätige eine gesellschaftsrechtliche Veranlassung der Zusage.
Keine Anrechnung der Aktivbezüge (Beraterhonorare) auf die laufenden Renten
Das Gericht ging sogar noch einen Schritt weiter als der Prüfer und bemängelte, dass die Aktivbezüge in Form von Beraterhonoraren nicht auf die laufenden Renten angerechnet wurden, was – so das Gericht – ein gewissenhaft handelnder Geschäftsleiter täte.
Die Beraterhonorare waren für das Gericht wie Aktivbezüge zu behandeln, da die Beratertätigkeit „alle betrieblichen Bereiche“ umfasste.
Fehlendes Ausscheiden nicht unproblematisch
Nicht entscheiden musste das FG, ob die Voraussetzungen für einen Bezug der Altersrente überhaupt vorlagen. Das könnte jedoch prinzipiell problematisch sein, da die Versorgungszusagen ein „Ausscheiden aus der Firma“ fordern, was in Anbetracht der Beraterverträge zumindest nicht unproblematisch ist. Die Folgen (Auflösung Pensionsrückstellungen; vGA) ergaben sich ja bereits aufgrund anderweitiger Verstöße, s.o..
Konnte mal all das wissen?

Der Fall wird final vom BFH zu entscheiden sein (I R 29/21). Wünschenswert wäre es, wenn der BFH den offensichtlichen Wortlaut der Zusage für den Fall des vorgezogenen Rentenbezugs im Sinne der tatsächlichen Handhabung auslegt. Die Klausel ist üblich und sollte insgesamt betrachtet weitgehend klar sein.
Auch unter dem Aspekt der Üblichkeit ist nach vorzeitigem Ausscheiden regelmäßig eine gekürzte Anwartschaft auf sämtliche Zusageinhalte (also auch die vorgezogene Altersrente) naheliegend.
„Man sollte bedenken, dass man vor 30 Jahren schlichtweg bei der Formulierung von Pensionszusagen noch nicht auf den Erfahrungsschatz zurückgreifen konnte wie heute und etliches, was heute durch Rechtsprechung und einschlägige Verlautbarungen der Finanzverwaltung klar geregelt ist, damals noch unspezifisch war.“
Die Klausel dürfte sich zudem in vielen Pensionszusagen, insbesondere bei Zusagen aus den 80er und frühen 90er Jahren, genauso wiederfinden. Aus dieser Regelung die Auflösung der Rückstellungen abzuleiten, erscheint unangemessen.
Gleiches gilt für den Verweis auf die gRV. Ein solcher findet sich ebenfalls – standardmäßig – in vielen (älteren) Zusagen, auch wenn die Versorgungsberechtigten oftmals gar nicht in der gRV versichert sind.
Insgesamt sollte man auch bedenken, dass man vor rund 30 Jahren schlichtweg bei der Formulierung von Pensionszusagen noch nicht auf den Erfahrungsschatz zurückgreifen konnte wie heute und etliches, was heute durch Rechtsprechung und einschlägige Verlautbarungen der Finanzverwaltung klar geregelt ist, damals noch unspezifisch war.
Ein Blick zurück – in BMF-Schreiben
Dass bei einer Zusage aus 1994 ein vertragliches Mindestalter von 60 Jahren bereits eine vGA indiziert, verwundert vor allem in Anbetracht des diesbezüglichen BMF-Schreibens vom 9. Dezember 2016, wonach das steuerlich anerkannte Mindestalter bei beherrschenden GGF für Zusagen dieses Datums bei 65 Jahren liegt. Gemäß diesem BMF-Schreiben hätte die Firma bis zum Ende des Wirtschaftsjahres, das nach dem 9. Dezember 2016 beginnt, Zeit gehabt, das Mindestpensionsalter auf 65 Jahre hoch zu setzen (Prüfungsgegenstand waren jedoch die Jahre 2009 bis 2012).
„Es war schlichtweg unmöglich, bereits im Jahr 1984 zu prophezeien, welche Anforderungen die Finanzverwaltung mehr als 10 Jahre später formulieren wird.“
Und das Argument der nicht eingehaltenen Probezeit sollte bei Pensionszusagen aus dem Jahr 1985 nun wirklich keine Rolle mehr spielen:
So stammt das erste einschlägige BMF-Schreiben zum Kriterium Warte-/Probezeit vom 14. Mai 1999. Auch in der höchstrichterlichen Rechtsprechung war das Kriterium Probe- bzw. Wartezeit zum damaligen Zeitpunkt noch kaum ein Thema – schlichtweg unmöglich, bereits im Jahr 1984 zu prophezeien, welche Anforderungen die Finanzverwaltung mehr als 10 Jahre später formulieren wird.
Auf Basis dieses BMF-Schreibens wäre die Zusage im Übrigen nach Ablauf einer angemessenen Probezeit für die weitere Zeit steuerlich anzuerkennen gewesen. Dies sollte dazu führen, dass die laufenden Pensionszahlungen nur anteilig – sofern sie vor Ablauf der Probezeit erdient wurden – eine vGA darstellen, nicht jedoch in voller Höhe.
Und das aktuell gültige BMF-Schreiben zur Probezeit, wonach eine unter Verstoß gegen die angemessene Probezeit erteilte Zusage dauerhaft eine vGA darstellt, stammt vom 14. Dezember 2012. Zu diesem Zeitpunkt befand sich einer der beiden GGF bereits im vorgezogenen Altersrentenbezug, bei dem anderen folgte er ein Jahr später. Zudem gilt die in diesem BMF-Schreiben aufgestellte verschärfte Handhabung in Sachen Probezeitverstoß nur für Zusagen, die nach dem 29. Oktober 2010 erteilt wurden, und dürfte damit in diesem Fall nicht einschlägig sein.
Insgesamt stimmt das Urteil des FG Düsseldorf in der vorzufindenden Härte bedenklich. Es dürfte nicht verwundern, wenn derart hohe Ansprüche der Finanzverwaltung und Richter die Aufgeschlossenheit für bAV bei GGF deutlich dämpfen dürften.
Die Autorin ist Aktuarin und Director Deal Advisory Pensions in der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft .
Von Autorinnen und Autoren der KPMG sind zwischenzeitlich bereits auf LEITERbAV erschienen:
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