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Kassandra – Die kommentierte Presseschau zur bAV:

Kassandra und die trägen Tretminen

Unregelmäßig freitags bringt PENSIONSINDUSTRIES eine kommentierte Presseschau zur bAV. Heute: Von Fixed Income zu Real Estate. Die Ministerin kommt in Gold. Ein Rezept mit nur zwei Zutaten. Und: Wieviele sind wir denn nun? Soll sich darin wohlfühlen, wer will.

Die Welt (14. Juli): ‘Das kann nicht stimmen’ – Jetzt kommen zahlreiche Zweifel am Zensus auf.“

Wenn Kassandra regelmäßig die schweren, zusammenwirkenden Herausforderungen beschreibt, auf die Deutschland zusteuert, dann ist stets ein wichtiger Faktor die stürmische Bevölkerungsentwicklung (von 2012 gut 80 Millionen auf heute knapp 85 Mio.), die zwar nichts an dem bevorstehenden demographischen Zusammenbruch ändert, dafür aber auf praktisch allen Politikfeldern – von Infrastruktur und Wohnungsbau über innere Sicherheit und Bildung bis zum Gesundheitswesen und der Altersvorsorge und und und – die Lage ständig verschärft (Stichwort: auf dem Weg zu den 90 Millionen).

Nun gab es aber ja neulich Meldungen, dass der Zensus für Deutschland 1,4 Mio. Menschen weniger als bis dato angenommen auswies; das klang nach zwar nicht nach grundsätzlicher, aber doch gewisser Entspannung in dieser Frage. Doch spürte Kassandra bei der Meldung instinktives Unbehagen – offenbar nicht zu unrecht:

Denn dieses Unbehagen scheint sich zu bestätigen. Hier jedenfalls ein Interview mit dem Hanauer Oberbürgermeister, der aufgrund der vielfältigen Zahlen, die seine Stadt direkt und ganz lokal vor Ort erhebt – von den Grundschülern bis zum Anstieg des Wasserverbrauchs – kein Zweifel daran hat, dass seine Stadt fast 10% mehr Einwohner hat, als der zentral durchgeführte Zensus für die Stadt ausweist.

Wie dem auch sei, die 90 Mio. werden wir jedenfalls bald erreichen – und überschreiten. Ob nun zwei Jahre früher oder später, das spielt dann auch keine Rolle mehr.

tagesschau (28. Juni): „UniImmo Wohnen ZBI – Immobilienfonds bricht dramatisch ein.“

Immobilienmanager (26. Juni): „Objektgesellschaft des Frankfurter Trianon-Turms ist insolvent.“

Die beiden Meldungen sind schon etwas älter, die meisten werden sie auch kennen. Ohne auf Einzelheiten hierzu einzugehen, soll das Thema hier jetzt mal grundsätzlich aufgegriffen werden:

Fangen wir vorne an. Kassandra hatte bekanntlich während der Nullzinsphase jahrelang gemahnt, dass Finanz – und Realwirtschaft sowie Staatshaushalte von dem vielen billigen Geld dermaßen drogenabhängig sind (die Notenbanken hatten den Alkoholiker mit Schnaps kuriert), dass die Notenbanken den Leitzins, um nicht einen Deut werden erhöhen können, ohne dass hier veritable Krisen entstehen.

Bekanntlich kam es anders. Ganz anders.

Die Notenbanken erhöhten die Zinsen ohne Rücksicht auf Verluste und im Höllentempo, Kassandra nannte das buchstäblich „verrückt“. Allerdings blieben Turbulenzen auch nicht aus:

Bei den Staatsanleihen und auch Corporates entstanden plötzlich erhebliche Buchverluste (zins-, nicht bonitätsgetrieben), und das zumindest dann, wenn diese im Umlage- und nicht im Anlagevermögen bilanziert werden müssen. Das gilt zuvorderst für Banken, denn jeden Tag steht irgendwo einer auf und will sein Geld wiederhaben (anders als bei den hier viel stabileren, da stornofreien EbAV, die einfach Maturity gehen und lediglich darauf achten müssen, ihren Rechnungszins zu covern). An die Bankenpleiten in die USA und die „Flintenhochzeit“ von UBS und CS erinnert man sich gut.

Jedoch blieben die Schieflagen, die ja auch nicht auf grober Zockerei beruhten, an sich überschaubar, Außerdem halfen bei der Bewältigung der Krise bilanzregulatorische Erleichterungen. Nochmal wiederholt sei, dass auch die Geldmengen gar nicht so sehr kleiner geworden sind, wie man angesichts der schnellen Zinserhöhung erwarten sollte.

Insofern machte sich gewisse Erleichterung breit, konnte man doch davon ausgehen, dass sich mit jedem Tag, der vergeht, die Lage ein bisschen entspannt – weil jedes einzelne zu niedrig verzinste Papier einen Tag näher an seine Maturity geht.

Soweit so gut. Jedoch: Tut sich nun eine neue Front auf, und das nicht ganz unerwartet? Eine Front, an der die Tretminen nun mal viel träger detonieren als die hochliquiden Sovereigns und Corporates? Will sagen: Droht uns jetzt Druck von krachenden Immobilienpreisen – der viel weniger mit Maturity zu tun haben und daher auch EbAV nicht verschont?

Zunächst einmal ist das viel schwerer zu bewerten als Lage und Perspektive bei den Liquiden, eben wegen besagter Trägheit der Bewertungen der Asset-Klasse, aber auch wegen der starken lokalen Charakteristika von Immobilien. Der deutsche Wohnungsmarkt hat seine ganz eigenen Gesetze, Sorgen und Nöte (die wir hier meist einigermaßen kennen), und das gilt analog bspw. auch für Pflegeheime in UK, Logistikcenter in Mexiko und Gewerbeflächen in Japan (die wir hier meist nicht kennen) . Anders als bei Fixed Income ist hier ohne vielfältig gestreute lokale Expertise jede Prognose schwierig bis unmöglich.

Wie dem auch sei, die Informationen werden jedenfalls ständig beunruhigender. Das gilt nicht nur für die drei oben verlinkten Artikel (bei dem Union-Fonds ist es übrigens äußerst bemerkenswert, dass es sich um Wohn-Immobilien handelt – ein Segment also, bei dem die Nachfrage hierzulande exorbitant ist, während bei Problemen regelmäßig von Gewerbeimmobilien die Rede ist).

Denn abseits der Schlagzeilen muss man sich nur wenig auf dem Parkett umhören, um festzustellen, dass da draußen nicht nur Banken, sondern durchaus auch Versicherer und Pensionseinrichtungen sind, bei denen die Immobilienportfolios – vornehm ausgedrückt – nicht ganz so schön aussehen, wie man es erwarten sollte. Auch Namen erfährt man (da es sich hier stets um unbestätigte Informationen handelt, verzichtet die Redaktion darauf, dieseNamen zu nennen). Bekannt ist auch, dass die Aufsicht längst an dem Thema dran ist und bei EbAV Informationen abruft – erst vorgestern hatte PENSIONSINDUSTRIES darüber berichtet.

Lange Rede, kurzer Sinn: Es wäre alles andere als das erste Mal in der Geschichte der Menschheit, dass veritable Krisen vom trägen, aber deshalb umso gefährlicheren Immobiliensektor ausgehen. Nun, zur Panik besteht kein Anlass, aber man darf durchaus gespannt sein, wie die Entwicklung weitergeht.

Morningstar (17. Juli): „The biggest risk to markets is no longer inflation, say fund managers.“

Tja, die geopolitischen Risiken. Was soll man sagen? Weniger werden sie ja nicht, im Gegenteil. Hier hat nun eine Studie der Bank of America festgestellt, dass sie in den Risiken, die es zu berücksichtigen gilt, ganz oben einzuordnen sind.

Auch in den Medien dieser Plattform sind sie stetes Thema (besonders ausführlich z.B. in dem Gruppengespräch „We live in political Times“ mit Airbus, Insight Investment, DWS und Blackrock in der Tactical Advantage Vol 12. vom Frühling 2023).

Nur: Was heißt das im Alltag des Investors? Politische Risiken haben halt ein paar recht unschöne Eigenschaften, die es besonders größeren Investoren nicht einfach machen, sie im Asset Management zu berücksichtigen:

Erstens ist es schwer, sie überhaupt zu identifizieren, erst recht, sie zu qualifizieren. Außerdem tendieren sie dazu, insofern unkalkulierbar zu sein, ob sie überhaupt eintreten, und wenn ja, mit welchem Tempo, und welche Folgen sie für welchen Sektor haben werden. Spätestens wenn die Notenbanken ins Spiel kommen (dass sie im Ernstfal die Zinsen senken und damit Liquidität schaffen müssten), wird aus jedem geopolitischen Risiko zumindest für die Aktienmärkte auch immer eine Chance.

Ihre umfassende Unkalkulierbarkeit ist quasi eines der Kern-Charakteristika der Geo-Risiken. Und das alles gilt auf Kapitalmärkten, deren hervorragendste (im wahrsten wie im übertragenen Sinne des Wortes) Eigenschaft es ist, zu machen, was sie wollen – das gilt in den normalen friedlichen Zeiten, aber erst recht in den Zeiten, in denen sich geopolitische Risiken materialisieren.

Da, wo möglich, kann und muss man natürlich als Investor Rücksicht nehmen, (wie BVV-Anlagevorstand Frank Egermann im Gespräch mit der Schwesterplattform ALTERNATIVESINDUSTRIES jüngst erläuterte), also ein paar Risiken rausnehmen, ein paar Chancen nicht suchen usw.. Doch insgesamt kann man sich ihnen als Investor – wenn es hart auf hat kommt – praktisch nicht vollumfänglich entziehen. Insofern bleibt einem zur Vorsorge meist nur ein Rezept mit zwei Zutaten: Diversifikation und Stoizismus.

OFF TOPIC – TO WHOM IT MAY CONCERN

Bild (15. Juli): „EM 2024: Baerbock kam in goldener Jacke, Kahn mit seiner Frau.“

So, die EM ist vorbei. Was war die Hauptsache? Klar, Deutschland als Gastgeber im Viertelfinale rausgeflogen. In der neudeutschen Versagerkultur gilt sowas bei vielen offenbar als Erfolg. Sei’s drum, soll sich darin wohlfühlen, wer will.

Schöne Bilder, die die Bürger jubeln ließen, gab’s trotzdem zuhauf, denn: Kaum ein Spiel ohne Lauterbach, Baerbock et.al. in den Stadien. Stets beste Plätze. Stets schöne Selfies. Und Baerbock bewies wie stets auch modische Trittsicherheit – was passt denn besser zu diesem Deutschland dieser Jahre als Politiker in Gold?! Man darf zurecht begeistert sein!

Nur Kassandra hätte da eine wie üblich ketzerische Frage: Woher haben die werten Volksvertreter eigentlich immer die ganzen Top-Eintrittskarten? Haben sie diese eigentlich auf dem herkömmlichen Weg gekauft? Von richtigem eigenem Geld? Und dabei ständig Losglück bei der Zuteilung? Möglicherweise. Vermutlich sogar. Eine andere Erklärung gibt s ja gar nicht.

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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